Höhlenkundliche ARGE Rosenstein - Heubach e.V.
 

Höhlenvermessungen mit Lidar-Scannern

Kleine Anmerkung: Ich (Georg) habe diesen Bericht erst jetzt veröffentlicht, da wir ursprünglich noch versuchen wollten, die 3D-Modelle am PC zu sichten. Dazu sind wir aber noch immer nicht gekommen, weshalb ich den Bericht doch endlich mal in diesem Zustand veröffentliche. Viel Spaß!

07.06.2022 Erste Versuche

Am 07.06.2022 starteten wir einen Versuch, mit dem Ziel herauszufinden, wie gut sich Höhlen mit dem in neueren Generationen des iPads verbauten Lidar-Scanner vermessen lassen. Dieser Bericht wird sehr ausschweifend, da er gleich mehrere komplexe Themen beinhaltet. Viel Spaß!

Vorab sollte gesagt sein, dass ich (Georg Bitzer) auch kein Experte in diesem Gebiet bin. Ich habe mich in der Vergangenheit ein wenig mit 3D Photoscans beschäftigt und kenne mich ganz gut mit Videospielen und deren Technik aus, das war's aber. Alles was entsprechende tiefere Programmierkenntnisse erfordert, entspricht nicht mehr meinen Kompetenzen.

Doch da sicherlich nicht alle mit der herkömmlichen Vermessung von Höhlen und mit 3D Scans vertraut sind, hier erstmal eine Übersicht: 

Gegenwärtige Vermessung: Zur (bei uns) herkömmlichen Höhlenvermessung startet man an einem Ausgewählten Messpunkt und peilt von diesem aus den nächsten gewählten Messpunkt mit einem Lasermessgerät an. Dieses zeichnet die Länge der Messung, wie auch Neigung und Richtung (orientiert am Magnetfeld der Erde) auf. Danach geht man zum nächsten Messpunkt, den man gerade zuvor noch angepeilt hat und misst von dort aus weiter.
Dies ergibt dann einen Messzug, der sich durch alle Gänge der Höhle zieht und auch meist für die angegebene Gesamtlänge verwendet wird.
Zusätzlich werden bei jedem Messpunkt noch je einige Raummaße aufgenommen. Das sind einfache Messungen in beliebige Richtungen, wie zur Decke, oder etwa der anderen Seite des Höhlenganges.
Die Daten werden bereits während den Messungen an ein Smartphone (oder Ähnliches) gesendet, auf dessen Display der Messzug und alle Raummaße als Topdown- und Seitenansicht angezeigt werden.

Nun werden von Hand die Konturen der Höhle und Merkmale, wie Tropfsteine, Stufen, Schächte, Gesteinsblöcke und Ähnliches eingezeichnet. Im Bild links nimmt meine Schwester Raummaße auf, während ich die Konturen der Höhle einzeichne (im Finsteren Loch, zu Übungszwecken).

Früher wurden die Pläne auf Papier gezeichnet, die Orientierung separat mit einem Kompass angepeilt, und/oder mit Messschnüren vermessen. Viele Pläne wurden also nicht exakt so vermessen, wie gerade beschrieben. Das Grundprinzip bleibt jedoch das Gleiche.
Auch wird überhaupt von Person zu Person wie auch situationsabhängig leicht unterschiedlich vermessen, es ist also keineswegs falsch seinen eigenen Weg zu gehen.

Herkömmliche Fotoscans: Ich beschäftigte mich bereits in der Vergangenheit mit der Entwicklung von Videospielen und hatte zuvor bereits mit der kostenkosen Software "Meshroom" digitale 3D-Objekte einzelner Gegenstände generieren lassen. Zusammengefasst erkennt die Software, die Verschiedenen Perspektiven eines Gegenstandes, setzt damit Punkte in einem dreidimensionalen Raum und generiert damit ein 3D Objekt. Diese Methode und Software funktioniert überraschend gut und einfach, hat aber auch ihre klaren Limitierungen. So eignet sie sich in erster Linie für einzelne Gegenstände und kommt nicht gut damit klar, komplexere Objekte zu erfassen, deren Struktur nur über mehrere Einzelbilder hinweg aufgezeichnet werden kann. Die Fotos, die innerhalb einer Höhle gemacht werden können, sind also entsprechend ungeeignet, da sie immer nur einen sehr kleinen Bruchteil erfassen. Vor Allem aber benötigt diese Methode eine konsistente Beleuchtung, die sich nicht verändern darf, was in Höhlen praktisch unmöglich zu gewährleisten ist. Zusätzlich werden auch sehr viele Bilder aus verschiedenen Perspektiven benotigt und es dauert recht lange bis das Programm ein Modell daraus rekonstruieren kann.

Scans mit Lidar (Das eigentliche Thema des Berichtes): Irgendwann stieß ich dann auf Videos, die den Lidar-Scanner neuerer iPad-Modelle vorstellten. Dies sah für mich durchaus vielversprechend aus, allerdings hatte ich kein entsprechendes Gerät zur Verfügung und Apple ist mir auch allgemein eher unsympathisch, weshalb ich die Sache vorerst verwarf. Alternativen gibt es leider praktisch nicht, doch dazu später mehr.

Einige Zeit später kaufte sich meine Freundin ein iPad, primär um darauf digital zu zeichnen. Praktischerweise hatte dieses einen eingebauten Lidar-Scanner, wie ich ihn schon lange gerne ausprobiert hätte.

Doch wie genau funktioniert der Lidar-Scanner? Zusammengefasst werden sehr viele Infrarot-Messpunkte gleichzeitig ausgesandt. Diese werden dann von Wänden und Gegenständen reflektiert und der Sensor misst, wie lange das Licht braucht, um zurückzukehren. Damit wird die Entfernung gemessen.
Zusätzlich werden diese Informationen mit dem Bild, das von der Kamera eingefangen wird verarbeitet. So werden in kurzer Zeit extrem viele Messungen durchgeführt, welche dann untereinander verrechnet werden können. Die Entfernungsmessungen haben eine Reichweite von 5m. Weitere Spezifikationen (wie Sichtfeld des Sensors, Messrate, Anzahl der Laser, ...) werden von Apple leider ziemlich intransparent verschwiegen.

Die gesammelten Daten werden dann in Echtzeit zu einem 3D Modell der Höhle verrechnet, die (je nach App und Einstellung) auch als Gitter in das Kameradisplay projiziert wird. Sogar die Bilddaten der Kamera werden automatisch als Textur des Modells verwendet.

Da ohnehin ständig gemessen wird, versteht das iPad wo im Raum es sich befindet und so muss man praktisch nur noch damit durch die Höhle laufen und alles einscannen, das interessant aussieht. Die Lücken des 3D Modells sind dabei auf dem Display erkenntlich, weshalb problemlos in Spalten und Kolken nachgescannt werden kann.
Selbst, wenn man versehentlich andere Höhlenforscher scant, die nicht zum Höhlenprofil gehören, werden diese bei nochmaligem darüber schwenken wieder heraus korrigiert.
Sogar die sich stetig ändernden Lichtverhältnisse stellten keinerlei Problem dar.

Ganz allgemein funktionierte alles deutlich besser, als ich erwartet hatte.

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Eine Vorschau des Modells ist dann sogar direkt nach dem Scannen einsehbar. Als das Resultat erster Versuche kann sich dieses auch durchaus sehen lassen.
(Die Bilder sind leider nur etwas unkenntlich abfotografiert, da ich mir erst im Nachhinein überlegt habe einen Bericht darüber zu schreiben.)

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Auch können direkt im Digitalen Modell am iPad Messungen vorgenommen werden.

Und hier noch ein Vergleich des alten Höhlenplans zu einem schnell gescannten 3D-Modell:

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Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir noch nicht dazu gekommen, die Modelle auf einen PC zu laden und dort anzusehen und nachzubearbeiten. Dies wäre sicherlich nochmals aufschlussreich und ich werde hier nochmals den aktuellen Stand schildern, wenn wir die Zeit dafür gefunden haben.

iPad/iPhone schön und gut... aber gibt es Alternativen?

Kurz gesagt: Praktisch nicht. Momentan scheinen iPad/iPhone eindeutig am Besten dafür geeignet zu sein.
Es gibt momentan keine weiteren Tablets, oder Smartphones, die einen solchen Scanner beinhalten. Auch externe Geräte, die sich an ein Smartphone anschließen lassen habe ich nur für Apple-Geräte gefunden.
Es gibt zwar bezahlbare Lidar-3D-Scangeräte, diese sind aber üblicherweise dazu gedacht, kleinere Objekte einzuscannen und haben eine sehr kurze Reichweite.
Dann wären da noch professionellere Scanner. Zum einen gibt es große Geräte, die fest auf einem Stativ montiert werden und von dort aus scannen. Diese sind allerdings extrem teuer und abgesehen davon sicher nicht für die schmalen und verwinkelten Gänge von Höhlen geeignet.
Tragbare professionelle Scanner, gibt es auch ein paar und ich vermute, diese wären technisch durchaus gut geeignet. jedoch kosten auch diese locker mal 20.000€ und mehr und fallen damit auch sehr sehr eindeutig aus unserem Budget.
Die letzte Alternative wären noch Scanner in Form von Bauteilen, die zwar teilweise bezahlbar sind, man allerdings selbst anschließen und programmieren müsste, was definitiv nicht in meinen Fähigkeiten liegt.
Somit bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als uns vorerst auf Apple zu beschränken.

Es sei auch noch gesagt, dass ich nicht wirklich weiß, ob es schonmal versucht wurde, Höhlen auf diese Weise einzufangen. Ich fand im Internet eine Hand voll derartiger Projekte, in denen aber immer nur professionelle, extrem teure Geräte und oftmals sehr viel Zeit in Anspruch genommen wurden.

Insgesamt würde ich aber auf jeden Fall behaupten, die Technik hat Potenzial! Ich schildere mal meine persönlichen Gedanken und Einschätzungen dazu:

- Der Detailgrad ist nicht immer Ideal, könnte aber mit etwas mehr Erfahrung, sicherlich noch ein Stück weit verbessert werden. Ich denke zwar, er ist genauer, als in menschlichen Zeichnungen, könnte aber stellenweise durchaus unübersichtlicher sein. Gäbe es eine Option bestimmte Merkmale der Höhle im 3D Plan zu vermerken, wäre dies sicherlich nützlich. Spätestens bei einer Nachbearbeitung am PC sollte das aber kein allzu großes Problem mehr darstellen.

- Die Reichweite von 5 Metern klingt erstmal recht kurz und natürlich wäre eine längere Funktionsreichweite immer von Vorteil. Auch das Finstere Loch, in dem wir die Technik ausprobierten, hat eine Stelle mit einer Deckenhöhe von 13,60m. Große Hallen lassen sich damit also leider auch nicht vollständig einfangen. Was aber in jedem Fall möglich bleibt, ist das Einscannen des Bodens und der Wände So ist die Kontur der Höhle trotzdem sehr gut sichtbar und eigentlich auch nicht viel anders, als bei herkömmlichen Plänen. Bei kleineren Höhlen stellt das natürlich ohnehin kein Problem dar.

- Der 3D Plan, der oben aus der Vogelperspektive zu sehen ist, ist in nur wenigen Minuten durch eine Person entstanden. Das ist durchaus schneller, als mit herkömmlichen Vermessungsmethoden.

- Wir konnten (problemlos) in einigen Minuten damit etwa die erste Hälfte des Finsteren Loches scannen. Das Gerät, beziehungsweise die verwendete App teilte uns danach mit, wir hätten bald ein technisches Limit für einen am Stück gescannten Bereich erreicht. Vermutlich müssen Höhlenteile also im Nachhinein zu einem größeren Modell zusammengeflickt werden. Das sollte an sich kein Problem sein, ich bin mir aber nicht sicher wie gut sich das in Bezug auf Messabweichung ohne weiteres machen lässt. Das Problem ist aber sicherlich irgendwie lösbar.

- Welche App in Bezug auf Funktionalität, aber auch Lizenzen und ähnliches die beste ist, gilt es noch zu ergründen.

- Ich finde dreidimensionale Pläne deutlich verständlicher, als gezeichnete. Vor allem Teile mit viel Vertikalität, oder ungewöhnlich geformten Gängen sind so sicherlich verständlicher dargestellt. Auch lassen sich gescannte Stellen deutlich besser Leuten zeigen, die noch nicht in diesem Teil der Höhle waren. Auch z.B. offene Fragezeichen sind so im Vorhinein besser einschätzbar. Ein klarer Nachteil ist natürlich, dass sich der ganze Kram natürlich nicht mehr gut ohne weitere Bearbeitung sinnvoll auf Papier drucken lässt.

- Den erforderten Speicherplatz, kann ich noch nicht gut einschätzen. Natürlich wird es ein Vielfaches mehr Speicherplatz erfordern, aber ich vermute mal, das lässt sich mit aktueller Technik ganz gut stemmen.

- Wie schnell mobile Geräte leistungstechnisch in die Knie gehen werden weiß ich schlicht noch nicht. Bei den Modellen könnte man aber sicherlich z.B. am Detailgrad schrauben und andere technische Tricks nutzen, um das zu bewältigen.

- Auch der Akkuverbrauch ist denke ich gerade bei größeren Höhlen ein Problem, ein wie großes bleibt abzuwarten.

- Ich sehe in den Scans vor allem Potenzial für die Dokumentation der Höhlen nach außen hin. In Vorträgen, Dokumentationen, oder vielleicht sogar Kunst sind realistischere Modelle sicherlich hilfreich.

- Gerade kleine Höhlen, die unzähligen auf dem Rosenstein und Scheulberg, lassen sich vermutlich sehr gut vollständig scannen. Markus Haasl und ich planen schon länger, für jede Höhle eine einzelne kleine Seite mit Beschreibungen und Plänen zu erstellen. Auch da wäre ein 3D-Modell sicherlich eine schöne Ergänzung.

- Ein Punkt ist noch, wie gut sich die Modelle vom iPad auf den PC und in andere Programme übertragen lassen. Vermutlich stellt das kein Problem dar, wir sind aber schlicht noch nicht dazu gekommen es zu versuchen. Da Apple aber für seine Inkompatibilität berüchtigt ist wollte ich den Punkt zumindest erwähnen.

- Auch das haben wir noch nicht getestet, aber ich vermute, der Scanner wird mit Wasser nicht gut klarkommen. Auch Probleme mit nassen (und damit spiegelnden) Oberflächen wären denkbar.

Es gibt also noch Einiges zu ergründen. Einige Punkte lassen sich sicherlich mit etwas Erfahrung mit dem Thema bewältigen, andere lösen sich vielleicht in ein paar Jahren mit modernerer Technik. Wenn wir/ich wieder neue Erkenntnisse gewonnen haben findet ihr den Bericht wieder am oberen Ende dieser Seite und vermutlich eine Weile einen Hinweis auf der Startseite.

Glück Tief,
Georg